Die Uhrzeit entspringt dem Dualismus. Die zählbare Zeit als mechanische Abfolge gleich großer Einheiten. Das Leben aber ist ein Kreis, auch wenn die Lebenslinie linear von der Geburt bis zum Tod zu verlaufen scheint. 

Das Rad der Zeit

Sogar der Sekundenzeiger einer Uhr läuft im Kreis und nicht gerade aus. Allerdings verläuft das Rad der Zeit immer nur in eine Richtung. Das Rad als solches ist das Symbol der Ganzheit, in steter Bewegung, doch im Zentrum (der Nabe) unverändert. Jedes Ding tritt in Erscheinung, entwickelt sich, verschwindet (scheinbar) wieder aus dem Dasein. Manches kehrt wieder, manches bleibt für immer außerhalb weiterer Erfahrung. 

Die Jahreszeiten drehen sich wiederkehrend im Lebenszyklus, doch sind sie nie völlig gleich. So ist es auch in unserem Lebensrad. Es herrscht einmal "Hoch"zeit, dann wieder tiefe Trauer, es gibt eine Zeit des Ruhens, des Arbeitens, der Freude, der Liebe, des Feierns oder des Lernens. Alles hat seine Zeit, den passenden Zeitpunkt, vergeht und kehrt wieder. Alles darf sein wie es ist, schlechtes Gewissen darüber, anderes zu vernachlässigen, fehl am Platz.

Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft

Der Punkt, um den sich alles dreht, die Nabe, wird als "Gegenwart" bezeichnet - jener winzige Ausschnitt, den wir im Moment eines Augenblicks wahrnehmen. Die Gegenwart ist der Zeitpunkt, in dem sich die Vergangenheit in die Zukunft umwandelt. Somit ist "Zeit" ein Ineinanderfließen sich verändernder Zustände.

Zeit ist dynamisch, meine eigene, gefühlte Empfindung, egal was mir die Uhr sagt. Wie lange eine Zeitspanne währt, sagt mir mein Gefühl. Zeit ist aber auch multidimensional, alle Momente existieren zugleich JETZT. Evelyn Rysdyk (schamanische Lehrerin) vergleicht die Zeitdimensionen mit einem Radio, in dem mehrere Sendungen parallel laufen, jedoch nur eine Frequenz davon zeitgleich angeschaltet und gehört werden kann.

Drei Nornen

Unsere germanischen Vorfahren nannten das, was wir Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nennen, Urdhr, Verdandi und Skuld. Doch sie meinten damit etwas anderes als wir heute darunter verstehen. 

Urdhr ist mehr als nur Vergangenes, das hinter mir liegt. Urdhr ist das, was gewesen ist und das immer noch wirkt. Alles was ich im Leben erfahren, erlebt und erlernt habe, wirkt im Jetzt, in Verdandi, weiter. Es ist Teil meiner Selbst. Urdhr hat aus mir jenen Menschen werden lassen, der ich im Augenblick bin. Urdhr ist die Voraussetzung, die Qualität, von Verdandi und Skuld.

Da Urdhr in Verdandi immer noch da ist, bilden beide gemeinsam die Grundlage für Skuld, der Zukunft: Das was daraus entstehen kann.

Das, was ich als Voraussetzung bei mir trage (Urdhr), mit dem, was ich im Moment entscheide oder wie ich handle (Verdandi), daraus resultiert Skuld, eine zukünftige Möglichkeit, die sein kann, aber nicht zwingend sein muss. Die Zukunft ist wandelbar.

Wandelbares Schicksal

Schicksal ist die Auswirkung meines bewussten Handelns. 

Ich sehe in Skuld einen Baum, dessen dicker Stamm die wahrscheinlichste meiner Zukunft bildet. Dessen Äste und Zweige zeigen alle Möglichkeiten, die ich außerdem einschlagen kann. Jeder Zwickel entspricht einer Abzweigung vom eingeschlagenen Pfad. Einen Zeitpunkt, an dem ich eine Entscheidung treffe, die mich weiter gerade aus oder in eine gänzliche andere, unbekannte Richtung lenkt.

Ich kann Urdhr auch als alle Glaubenssätze, Dogmen, mitgebrachten Erfahrungen bezeichnen, die mich einerseits leiten oder andererseits belasten. Ergebe ich mich dem Erlernten, führt mich das den dicken Stamm von Skuld hinauf. Der leichteste aller Wege, ohne die große Anstrengung, welche eine Änderung der Lebensumstände mit sich bringt. Ist dieser Weg ein glücklicher, umso besser.

Beschließe ich jedoch mein Leiden, meinen Kummer, mein unglückliches Leben zu ändern, Dogmen aufzubrechen, neue Glaubensätze anzunehmen, mich selbst zu wandeln, betrete ich einen den Seitenäste, unter Umständen gar einen schwankenden Zweig. Ich fühle mich unsicher, unwohl, im ersten Moment vielleicht sogar verlassen. Skuld aber wird eine andere Qualität annehmen. Wenn ich weise und mutig entscheide, führt mich dieser Ast letztlich zu mehr Wohlbefinden. Solcher Entscheidungsmöglichkeiten gibt es im Laufe eines Lebens viele. Jene, die mich in eine Sackgasse führen, verlasse ich wieder, meist mit reichem Erfahrungsschatz für spätere Zeiten.

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