Mit Vergebung hatte ich es nicht so sehr. Ich stellte mir darunter vor, zu der Person, die mir Schlimmes angetan hatte, hinzugehen, ihr die Hand zu reichen und zu sagen: Ich vergebe dir. Und dann sollte alles eitel Wonne sein, wir uns gut vertragen und alles wäre so, als wäre nie etwas passiert.
Nein, sagte ich mir, ich kann das nicht und mache das nicht. Das fühlt sich für mich an, als würde ich dem Täter die Absolution erteilen, ihm eine Last abnehmen, seine Schuld kleinreden und dann heile Welt spielen. Nein, sagte ich zu mir, ich will keinen Kontakt mehr zu dieser Person.
Also kam Vergebung für mich nie in Frage, wenn es sich um wirklich traumatische Erfahrungen ging. Doch es kam mir im spirituellen Sein ständig die Vergebung als Erleichterung in den Sinn, als ein Loslassen der Vergangenheit. Wie sollte ich es aber anstellen, da sich diese beiden Sichtweise doch unangenehm kreuzten?
Spirituelle Vergebung
Ich fragte die Spirits um Rat. Ein Puma erschien mir, der auf einem dieser riesigen Kakteen in der Wüste saß, ohne dass ihm die Stacheln etwas anhaben konnten. Ich fragte ihn: "Wie machst du das?"
Er antwortete: "Mit Vergebung werden die Stacheln ganz weich."
Ich überlegte: "Du meinst, mit Vergebung ist das Vergangene kein Stachel mehr in meinem Fleisch?"
"Ja", sagte der Puma, "und nichts weiter. "
"Wie, nichts weiter?", dachte ich über sein Worte nach. "Du meinst, ich brauche nicht zu der Person hingehen, ihr die Hand reichen und ihr die Absolution erteilen?"
"Nein" , sagte er, "denn Vergebung geschieht in dir. Jener Mensch muss seine Schuld vor sich selbst verantworten. Es ist nicht deine Aufgabe ihm dabei zu helfen. Es ist kein Kontakt nötig, um die Energie der Vergebung in dir zu aktivieren."
Welche Erleichterung. Vergebung geschieht in mir. Die dritte Tugend. Nachsichtigkeit. Es geht allein um mein Fühlen, um das Loslassen in mir selbst.
Vergib anderen nicht, weil sie Vergebung verdienen, sondern weil Du inneren Frieden verdienst.
Dalai Lama